Solidaritätsbekundung für Mely Kiyak
Wir, Muslime, Schwarze Menschen, Schwule, Lesben, Nicht-Männer, ...körperlich Beeinträchtigte, Arbeitslose, Araber_innen, Juden und Jüdinnen, Griech_innen, Atheist_innen, Kurd_innen, Türk_innen, Tscherkes_innen, Ostdeutsche, Andersdenkende, Agnostiker_innen, kritische Menschen..., wir alle, die wir in diesem Land als bizarr, ungewöhnlich oder einfach nur als „anders“ definiert werden, um uns (rechtliche und gesellschaftliche) Gleichbehandlung streitig zu machen, wollen uns in dieser Stellungnahme mit Mely Kiyak solidarisieren: Denn sie ist eine von uns!
Mely Kiyak schrieb in einer ihrer Kolumnen über einen Fernsehauftritt von Thilo Sarrazin bei Günter Jauch. Sarrazin ist bereits durch die Veröffentlichung seines Buches „Deutschland schafft sich ab“ mit rassistischen Erklärungen gegenüber Muslimen, insbesondere gegenüber kurdisch- und türkischstämmigen aufgetreten. Unter anderem hat er viele Probleme des Bildungssystems und schließlich auch der Gesamtgesellschaft auf ‚vererbte‘ Probleme, die durch ‚Inzest‘ unter den genannten Bevölkerungsgruppen entstanden seien, zurückgeführt. Schlimm genug, dass diese rassistischen Meinungen heute unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit sowohl von der Springerpresse als auch den sogenannten Qualitätsmedien in die Gesellschaft transportiert und damit salonfähig gemacht werden - immerhin wird das Buch als Bestseller betitelt. Jetzt werden auch Thilo Sarrazins vermeintliche Expertisen zur Wirtschaftskrise gehyped – just einen Tag, nachdem 25 000 Menschen in Frankfurt auf die Straße gegangen sind, um für eine seriösere europäische Finanzpolitik einzutreten, die auf Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit und Menschlichkeit gründet. Auch wir empfinden es als eine Verhöhnung der Demokratie in diesem Lande, dass gerade Thilo Sarrazin in diesem Kontext eine öffentliche und von allen hörbare Stimme durch die öffentlich-rechtlichen Sender verliehen wird, und können deshalb verstehen, dass Mely Kiyak ihren Frust darüber loswerden wollte.
Doch als sei dies alles nicht schlimm genug, nun wird Mely Kiyak, die sich als eine der wenigen zu diesen ganzen Unsäglichkeiten in ihrer Kolumne in der Frankfurter Rundschau und der Berliner Zeitung geäußert hat, mit einer rassistischen und sexistischen Hetzkampagne verfolgt. (Siehe auch die Facebookseite Fans and Friends of Mely Kiyak.) Zu nennen sind hier zum einen Leser_innenbriefe an die Zeitungen, für die Kiyak schreibt, und zum anderen ein sogenannter Shitstorm, der durch die Beteiligung des rechten und dezidiert antimuslimischen Internetportals PI-news gesteuert (in der Frankfurter Rundschau sind Zitate zu lesen) und von der Bildzeitung in einer rassistischen und sexistischen Weise forciert und unterstützt wird.
Der vorgegebene Grund: Mely Kiyak hat sich in ihrer Kolumne negativ und abwertend auf das Erscheinungsbild und die Mimik von T.S. bezogen. Mittlerweile hat sie sich für ihre verbale Entgleisung aber entschuldigt. Selbstverständlich ist es völlig indiskutabel, einen Menschen wegen seines Aussehens oder wegen körperlicher Beeinträchtigungen zu beschimpfen beziehungsweise körperliche Beeinträchtigungen als Schimpfworte zu benutzen. Wir bedauern in diesem Zusammenhang ausdrücklich, dass andere Menschen beleidigt und verletzt wurden, die ähnliche äußere Merkmale haben wie Sarrazin. Rassismus kann mit solchen körperlichen Einschränkungen weder erklärt noch entschuldigt werden. Und niemand sollte aufgrund ihrer/seiner äußeren Erscheinung mit einem Rassisten wie Sarrazin verglichen werden.
Doch es ist mehr als verwunderlich, dass gerade die Bildzeitung oder PI-News, was "Politically Incorrect-News" bedeutet, genau auf diesen Umstand hinweisen, um Mely Kiyak mit einer diffamierenden Hetzkampagne zu verfolgen. Denn so sehr wir die Wortwahl Mely Kiyaks in diesem Zusammenhang zurückweisen, so sehr wollen wir eine sachlich geführte Debatte um gesellschaftliche Verhältnisse und schließlich auch um politisch korrekte Sprache. Aber statt einer sachlichen Auseinandersetzung forciert die Bild-Zeitung weiter Verrohung. So wird zum Beispiel T. Sarrazin, der sich auf Kosten der muslimischen Bevölkerung in Deutschland bereichert hat, zum Opfer stilisiert, indem beispielsweise die physiologischen Hintergründe für Sarrazins Mimik in emotionaler und persönlicher Art dargelegt werden, ohne schließlich davor zurückzuscheuen, im selben Artikel Mely Kiyak in der Bildunterschrift auf ihren ethnischen Hintergrund und ihr Geschlecht (was natürlich exakt zu der von Sarrazin vorgegeben Matrix passt) zu reduzieren. Sarrazin wird dagegen im Bild daneben als „Bestsellerautor“ bezeichnet. Demnach ist sie lediglich das Produkt ihrer Gene und er der Schöpfer seiner Leistungen.
Angesichts solcher Diffamierungen und der rassistischen Verbalattacken Sarrazins auf von ihm als „minderwertig“ dargestellte Menschen, vor allem angesichts des großen Beitrags zur „Normalisierung“ rassistischen Vokabulars in Deutschland durch sein Buch und die damit einhergehenden Kolumnen und Interviews würden wir uns wünschen, dass auch Thilo Sarrazin sich bei all den Menschen entschuldigt, die er verletzt und beleidigt hat. Ebenso wünschen wir uns, dass die Bildzeitung die Verantwortung für die eigene Berichterstattung übernimmt und die oben erwähnten Entgleisungen öffentlich korrigiert."
Von der intersektionellen Feministin Sakine Subasi-Piltz auf Facebook initiiert und von bisher knapp 90 Journalist_innen, Perfomer_innen, Blogger_innen, Medienmancger_innen und kritischen Leser_innen mitformuliert und unterzeichnet.
Wer sich dieser Liste anschließen möchte, ist herzlich eingeladen dies zu tun. Dazu bitte eine kurze Email mit dem gwünschten Namen/ Pseudonym an subasi-piltz@em.uni-frankfurt.de schicken. Weitere Infos zu dieser Aktion werden demnächst auf dieser Seite veröffentlicht.
Unterzeichner_innnen:
1. Sakine Subaşı-Piltz 2. Florian Piltz 3. Anna-Sarah Henning 4. Kiturak 5. Dagmar B. Luftwurzel 6. Ernst Kunz 7. Hüseyin Inak 8. Irena Wachendorff 9. Gülay Demirdag-Yazici 10. Hüseyin Sitki 11. Turgut Yüksel 12. Hülya Lehr 13. Harun Demircan 14. Elisabeth Weller 15. Nadia Shehadeh 16. Michael Klein 17. Stephie Fehr 18. Sula Essokim 19. Lisa Dixon 20. Sophie Link 21. Nadia Doukali 22. Ayse Yildiz 23. Sesperado Lyrical Guerilla 24. Performingrace Germany 25. Birgit Wolf-Bauer 26. Tarik Karaca 27. Philipp Weidemann 28. Leonie Teigler 29. Lydia Makhloufi 30. Julia Victoria 31. Franca M'hamdi 32. Atif Hussein 33. Malika Doukali 34. Philibuster 35. Osman Tok 36. Mädchenmannschaft 37. Liane Steiner 38. Benjamin Fröhlich Rodrigues 39. A Dizzy Eyrie Ilk 40. Abu Ince 41. Adimi Netcen Guanix 42. Helga Hansen 43. Bern Hesse 44. Arne Hoffmann 45. Bilgin Lutzke 46. Birgit Wolf-Bauer 47. Cansu Yilmaz 48. Claudia Weiter Nix 49. Danka Rkman 50. Devrim Sirin 51. Dihia Drouaz 52. Elise Hendrick 53. Em Ce 54. Engin Kara 55. Fereshta Ludin 56. Georg Klauda 57. Grecko Junior 58. Gülay Özpulat 59. Gülüm Subasi Erdogan 60. Hakuna Matata 61. Julie Brilliant 62. Leyla Jagiella 63. Magda Albrecht 64. Maria Eks 65. Mehmet-Fevzi Birgül 66. Mukadder Bauer 67. Nazlı Özdemir 68. Neşe Tüfekçiler 69. Ömer Özkan 70. Özgür Uludag 71. Paradies Salman 72. Roland Sieber 73. Romina Camila Iclal 74. Sabih Hoseri 75. Güllü Manis 76. Benedikt Stein 77. Rudolfine Soultana 78. Sarah K. Otto 79. Traudel Sievert 80. Una Gatito 81. Van Bo Le-Mentzel 82. takeover.beta 83. Sevgi Meryem Ünver 84. Eyüp Özgün 85. Serkan Deniz 86. Karl-Bolko Lesser 87. Sebastian Mraczny 88. Alnaturka 89. Anna Krämer (Politologin/Uni Frankfurt) 90. Julia Brilling (HollaBack!BLN ) 91. Bettina Hennig 92. Barbara Koslowski 93. Lila das Gupta
|